Wir, der Antisexisitische Support Leipzig bestehen nun seit knapp 5
Jahren und haben uns als gemischtgeschlechtliche Gruppe aus
unterschiedlichen linksradikalen und emanzipatorischen Kontexten
zusammengefunden. Unser Anliegen ist es, zum einen Menschen bei der Auseinandersetzung mit erlebter sexualisierter Gewalt, Sexismus oder Gewaltdynamiken in Beziehungen solidarisch zu unterstützen. Zum anderen sind wir bestrebt einen kollektiven Umgang mit eben dieser Gewalt voranzutreiben, der sich mit transformativen Prozessen an Umfelder richtet, in denen sich gewaltausübende Personen befinden.
Unsere Arbeit findet innerhalb einer, nennen wir es „schwammig definierten“ linken Szene statt, welche nach wie vor ihrem eigenen antisexistischen Anspruch nicht gerecht wird. Sie ist dabei der Versuch patriarchale Gewalt und die Dynamiken, die diese hervorbringt nicht länger hinzunehmen und ihr eine kollektive Praxis und politische Öffentlichkeit entgegenzustellen. Staatliche Repression und die Vereinzelung von Betroffenen im Privaten begreifen wir dabei als Teile der Probleme, die es anzugehen gilt.
Dass wir mit diesem Begehren nicht alleine sind haben nicht zuletzt die Reaktionen auf die Vorfälle von Monis Rache mehr als deutlich gemacht. Die bereits beschriebenen Fälle digitaler sexualisierter Gewalt führten im vergangenen Jahr zu einer uns zuvor nicht bekannten, gleichzeitigen Betroffenheit unzähliger FLINTA-Personen. Also Frauen, Lesben, Inter-, Nicht-binäre, Trans- und Agender Personen. Die Reaktionen waren vielseitig. Vernetzung über Chatgruppen und Plena in Berlin, Leipzig und weiteren Städten, Artikel mit öffentlichen Forderungen; neu gegründete Initiativen und Demonstrationen die eine feministische Wut auf die Straße trugen. Eine tendenziell weiter wachsende Sensibilisierung zum Thema „sexualisierte Gewalt“ im Allgemeinen und zu digitaler sexualisierter Gewalt im Besonderen ist unseres Eindrucks nach durchaus zu beobachten.
Auch innerhalb des ASL waren die Übergriffe von Monis Rache allzu präsent. Uns erreichten Anfragen nach Unterstützung von Betroffenen und auch innerhalb unserer Struktur stellte sich mit neuer Dringlichkeit die Frage nach einem gelingenden Austausch und Für-einander-da-sein in Fällen eigener Betroffenheit – während Wut und Überforderung für einige Wochen nach den Ereignissen Teil unserer Plena wurde.
Vielleicht ist es vorrangig dieser feministischen Wut und der starken Öffentlichkeitsarbeit von Betroffenen zu verdanken, dass auch für linke cis-Männer die Beschäftigung mit sexualisierter Gewalt und Sexismus zumindest kurzzeitig nicht bloß eine Frage des guten Geschmacks sein konnte. Eine Veranstaltung im Leipziger Süden mit der Leitfrage „Wie kann ich mich als cis-Mann solidarisch mit Betroffenen zeigen und welche Schwierigkeiten treten dabei auf?“ wurde regelrecht überrannt. Zwei Drittel aller Besucher mussten aus Platzgründen wieder nach Hause geschickt werden. Auch einige nicht öffentliche Gruppen, die sich mit dem Ziel einer kritischen Reflexion eigener Männlichkeit zusammenfanden sind uns bekannt.
Ohne den Anspruch eines systematischen Überblicks zu pro-feministischen Organsiationsversuchen linker cis-Männer in Leipzig erheben zu können, kommen wir allerdings nicht umhin eine kaum gebrochene Planlosigkeit und Gemütlichkeit in diesem Feld zu kritisieren. Cis-Männer bewegen sich weiterhin, wenn überhaupt, in Reaktion auf Forderungen die seit Jahrzehnten bestehen und das in der Regel genau so weit, wie sie von ihren feministischen Freund*innen und Genoss*innen mühsam vorangeschoben werden. Diese Unfähigkeit von cis-Männern sich auf breiter Ebene an einem langfristigen Aufbau antisexistischer Strukturen zu beteiligen steht unserer Ansicht nach in einem unmittelbaren Zusammenhang zu ihrer Rolle als Täter und Komplizen patriarchaler Gewalt.
Die Erfahrungen des ASL im Bereich der transformativen Arbeit schließen hier an. Allzu oft fanden sich Menschen aus unserer Struktur in Prozessen wieder, die unter anderem an der Abwehr und gleichzeitig unbeholfenen Unselbstständigkeit von cis-Männern scheiterten. Umfelder die bereits Strukturen etabliert hatten um Menschen kritisch in ihren Aufarbeitungsprozessen zu begleiten, fanden wir kaum vor. Dies alles und noch viel mehr muss sich ändern!
Wir fordern ein Ende der Übergriffe aller Art. Egal ob im Club oder zu Hause, auf der Straße oder im Plenum. Die Grenzen einer Person sind zu respektieren und werden von ihr alleine gesetzt.
Es kann nicht vorausgesetzt werden, dass alle Menschen ihre Grenzen jederzeit gut wahrnehmen können. Es braucht aktiven Konsens, Empathie und darüber hinaus weiteres Empowerment, damit es leichter wird, eigene Grenzen spüren und setzen zu können.
Seid solidarisch mit Betroffenen von patriarchaler Gewalt. Nehmt sie ernst und bietet ihnen eure parteiliche Unterstützung an, soweit ihr es selber könnt. Achtet aber auch auf eure eigenen Grenzen, denn meistens übernehmen genau die Menschen Verantwortung, die als FLINTA-Personen zumindest teilweise der strukturell gleichen Gewalt ausgesetzt sind und somit meist noch eigene Betroffenheiten aushalten müssen. Dabei gibt es auch innerhalb von FLINTA-Zusammenhängen unterschiedliche Betroffenheiten von Gewalt. Es bedarf umfänglicher Reflexions- und Sensibilisierungsprozesse in und über FLINTA-Kontexte hinaus.
Wir wünschen uns Umfelder, in denen ausgeübte Gewalt nicht länger unbesprochen bleibt, bagatellisiert oder gar bestritten wird. Männerbündische Komplizenschaft und Täterschutz gilt es aufzubrechen und gerade cis-Männer müssen sich kritisch auf ihre eigene Täterschaft hin befragen lassen. Umfelder müssen darüber in Austausch kommen, wie sie mit gewaltvollem Verhalten umgehen. Wo können und müssen wir selbst lernen Verantwortung zu übernehmen? Wo braucht es professionelle Hilfe?
Wir fordern auch eine Kontinuität der Reflexion von patriarchal geprägtem Denken, Fühlen und Handeln. Wenn cis-Männer weiterhin mit feministischen Lippenbekenntnissen oder sprachlichen Codes eine Ausweichbewegung um das Themen Vergewaltigungskultur vollziehen, ist tatsächlich nicht mehr gewonnen als eine modernisierte Männlichkeit mit pseudofeministischem Anstrich.
Wir begrüßen es, dass Gruppen, die am Aufbau der Räume beteiligt waren, in denen es im letzten Jahr zu Fällen digitaler sexualisierter Gewalt gekommen ist, sich zu den Vorfällen positioniert und für ihre Gruppen versucht haben, Konsequenzen daraus zu ziehen. Was wir darüber hinaus noch immer dringend brauchen, sind fest etablierte Strukturen die langfristig sexualisierter Gewalt entgegen wirken. Ob es dabei darum geht eine neue Sensibilität und Verantwortung in persönlichen Nahumfeldern zu erlernen oder wie etwa die Gruppe Fantifa Leipzig fordert, schlichtweg in allen Gruppen in denen cis-Männer sind, das Thema Antisexismus und Männlichkeit als Unumgängliches zu etablieren, kann hier selbstredend nicht diskutiert werden. Wir fordern jedoch, auf breiter Ebene damit zu beginnen! Einige Ideen gibt es bereits und auch ein Blick in die Geschichte und über deutschsprachige Kontexte hinaus kann inspirieren.
Nicht zuletzt gilt es grundlegend auf den Untergang des Patriarchats hinzuarbeiten. Dies muss unserer Meinung nach in Verbindung anti-kapitalistischer, zum Rechtsstaat in Opposition stehender Ideen und Kämpfe geschehen. Wir leben in einem System, das strukturell auf den Herrschaftsachsen von Race, Class und Gender aufbaut!
Patriarchale Gewalt ist nicht nur ein Symptom des auf unzähligen Ebenen menschenverachtenden Systems, in welchem wir Leben, sondern bedingt mit den Erhalt dessen. Es liegt an uns allen diese bestehenden Verhältnisse anzugreifen und neu zu sortieren. – Sei es in unseren Freund*innenkreisen und Strukturen, in unseren sozialen Beziehungen, in Institutionen jedweder Hinsicht oder im Kampf gegen unsere eigene sexistische, kapitalistische Sozialisierung.
Ob Subkultur, Szene oder breite Gesellschaft. – Fangen wir an Verantwortung für einander zu übernehmen!
Für ein Ende der Gewalt!
Für eine befreite Gesellschaft!
Dies ist eine aktualisierte Version des ursprünglichen Redebeitrags zu dem ihr hier kommt. Da uns nach dem Beitrag Kritik zu einigen Inhalten erreichte, besprachen wir den Text nach und änderten einige Stellen ab. Vielen Dank dafür! Wir freuen uns auch weiterhin über eure Gedanken und solidarische Kritik.